Am 17. März 2021 fand das erste Vernetzungstreffen zur BMBF-Fördermaßnahme „Digitale Plattformen: Interaktive Assistenzsysteme für den Menschen (PIA)" vom Projektträger „VDI/VDE Innovation + Technik GmbH“ statt. Dort wurden erste Ergebnisse des Verbundprojektes BloG3 präsentiert sowie die Ergebnisse der anderen im Rahmen der Förderbekanntmachung geförderten Projekte „DaWID“, „PANDIA“, „Plug-In“, „eDEM-CONNECT“, IoTAssist“, „SIGMA3D“ und „VIA-VR“. Hierdurch konnte ein umfassender Einblick in die Arbeiten der anderen Förderprojekte gewonnen werden und mögliche, nützliche Vernetzungspunkte zwischen diesen identifiziert werden.
Im Anschluss an diese Vorstellung folgte ein Impulsvortrag zum Thema „Privacy by Design / Datenschutz“ durch Dr. Erik Krempel vom Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB). Insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit Daten im Projekt und dem datenschutzfreundlichen Design datenverarbeitender Plattformen konnten Anreize für das Projekt BloG³ abgeleitet werden.
Die Inhalte der vorausgegangen Präsentationen und Impulsvorträge konnten anschließend in vier verschiedenen Workshops in Kleingruppen vertieft werden, welche eine gemeinsame Diskussion und Vernetzung über die Projektgrenzen hinaus ermöglichten. Zu den Themen dieser Workshops gehörten unter anderem der verbundübergreifende Austausch, Datenschutz und Privacy, Möglichkeiten der Nutzerpartizipation und Ideen zur Geschäftsmodellentwicklung. Durch die Partizipation jeweils mindestens eines Mitglieds des Konsortiums von BloG³ an einem der vier Workshops konnte ein Einblick in alle höchst projektrelevanten Themen gegeben werden. Hierdurch konnten wiederum Impulse für die nutzenorientierte Gestaltung und Konzeption von datenverarbeitenden Systemen gewonnen und Ansätze hinsichtlich der DSGVO-konformen Speicherung von Daten auf Blockchain-basierten Systemen diskutiert werden.
Um eine bedarfsgerechte, kontinuierliche Versorgung im Anschluss an die Krankenhausbehandlung zu gewährleisten, sind Krankenhäuser seit dem 1. Oktober 2017 gesetzlich dazu verpflichtet, versorgungsrelevante Informationen im Rahmen eines Entlassmanagements in strukturierter Form weiterzugeben. Doch insbesondere bei der Überleitung eines Patienten oder einer Patientin, zum Beispiel in die medizinische Rehabilitation, Pflege oder das häusliche Umfeld sowie bei der interdisziplinären Behandlung durch mehrere Akteure, kommt es hierbei oft zu Medien- und Informationsbrüchen. Dieser Umstand wird spätestens dann zum Problem, wenn dadurch Informationsflüsse zwischen Organisationen erschwert werden und zu Lasten der zu behandelnden Personen beispielweise durch Doppelbehandlungen gehen. Auch damit einhergehende Nachteile, wie mangelnde Selbstbestimmung und eingeschränktes Vertrauen im Hinblick auf den Umgang mit dem persönlichen Gesundheitsdatensystem durch Dritte, können potenzielle Unsicherheiten auf Seiten der zu versorgenden Personen hervorrufen.
Durch die mit der intersektoralen Kommunikation einhergehenden Probleme des Entlassmanagements eignet sich dieser Use Case am Beispiel der Onkologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin ganz besonders für das angestrebte Ziel des BloG³-Konsortiums, eine Blockchain-basierte digitale Plattform zur Integration und Aggregation von patientenbezogenen Gesundheitsdaten zu entwickeln. Im Mittelpunkt dieses Vorhabens steht hierbei insbesondere die digitale Patientensouveränität, inklusive der Förderung eines selbstbestimmten Gesundheitsdatenmanagements.
Da dieses Szenario viele verschiedene Facetten beinhaltet, erfolgte zu Beginn des BloG³-Projekts zunächst eine IST-Analyse. Auf dieser Grundlage konnten dann im Rahmen von Bedarfsanalysen, unter anderem durch die Entwicklung von Problem- und Lösungsszenarien sowie Personas und „Patient-Journeys“ (IST/SOLL), konkrete Use Cases für die angestrebte BloG³-Lösung erarbeitet werden. Im ersten Schritt ergaben sich hieraus zehn potenzielle Anwendungsfälle, welche anschließend mittels Abstimmungen zur Priorisierung durch alle beteiligten Projektpartner auf eine umsetzbare Menge innerhalb des Forschungsprojektes reduziert wurden. Als Tool diente hier unter anderem unterstützend das empfohlene Vorgehen aus dem Bitkom-Leitfaden „Evaluierung und Implementierung von Blockchain Use Cases“, indem anfänglich ein Technologie-Check erfolgte, bei dem zunächst der Blockchain-Mehrwert je Use Case eingeschätzt wurde und anschließend eine Nutzen- und Risikobewertung durchgeführt wurde, um so die vielversprechendsten Anwendungsfälle zu erfassen.
Durch jene Priorisierung sowie Kondensierung der zur Auswahl stehenden Use Cases konnte die Anzahl der als besonders relevant erachteten Anwendungsfälle auf fünf reduziert werden, bestehend aus drei Hauptanwendungsfällen (Patient*in als Datensouverän, Datenspende, Monitoring) und zwei Vertiefungsoptionen (Partizipation von Angehörigen, Abbildung juristischer Verträge), die jeweils in Verbindung mit den Haupt-Use-Cases zu betrachten sind.
Beschreibung: Freigabe von medizinischen Daten zu Forschungszwecken, Monitoring von freigegebenen Daten und Zugriffen durch Forschungsinstitutionen
Allgemeine Eigenschaften:
BloG³-Blockchain-Mehrwert:
Beschreibung: Monitoring des Behandlungs-, Entlass-, Pflege- und Nachsorgeprozesses durch Versorger und Patient*innen anhand der Datensammlung
Allgemeine Eigenschaften:
Beschreibung: Einsicht und feingranularer Zugriff auf die gesammelten Dokumente, die im Rahmen der medizinischen Versorgung durch verschiedene Versorger erstellt worden sind (d.h. sicherer, eindeutiger, patientenzentrierter und -gesteuerter, lückenloser sektorenübergreifender Datenzugriff)
Allgemeine Eigenschaften:
Partizipation von Angehörigen
Beschreibung: Patientengesteuerte feingranulare Freigabe von Rechten zur Verwaltung und Einsicht der vorhandenen Gesundheitsdaten für Angehörige
Abbildung juristischer Verträge
Beschreibung: Digitale Abbildung und (rechtssichere) Abwicklung juristischer Verträge und Einwilligungen, die im Rahmen der medizinischen Versorgung auftreten
Digitale rechtssichere Abwicklung/Abbildung von (standardisierten) Verträgen/Einwilligungen wie:
In einer gemeinsamen „ePA-/TI-Taskforce“ konnten auch die zukünftig vorgesehenen Standards jener Lösungen gesichtet werden. Die TI 1.0 und ePA 1.0 nutzen den IHE-XDS für Datenaustausch zwischen den Nutzer*innen (Quelle: https://www.gematik.de/). In der von der gematik GmbH angekündigten TI 2.0 sowie im Rahmen der von der Kassenärztlichen Vereinigung aktuell auszuarbeitenden Medizinischen Informationsobjekten (MIO) (Quelle: https://www.kbv.de/html/mio.php), die die in der ePA enthaltene Gesundheitsdaten beschreiben sollen, soll der HL7-FHIR-Standard Anwendung finden. Im Falle der MIOs kombiniert mit SNOMED CT. Weitere nationale und internationale Entwicklungen, beispielsweise die Ergebnisse erster MIOs, sollen im weiteren Projektverlauf gesichtet werden. Auch international wird der Standard FHIR von zahlreichen Organisationen im Gesundheitswesen angewendet, weshalb dieser auch im Projekt BloG³ zum Einsatz kommen soll, um Interoperabilität zu schaffen.
Im Spätsommer 2020 kontaktierte uns die Digitalagentur „Turbine Kreuzberg“ (https://turbinekreuzberg.com/de/depa), nachdem diese durch die Medien auf unser „BloG³-Projekt“ aufmerksam geworden war. Hintergrund der Kontaktaufnahme seitens Turbine Kreuzberg war, dass diese sich ähnlich des BloG³-Vorhabens mit der Entwicklung einer dezentralen elektronischen Patientenakte (dePa) befassen und dementsprechend an einem Austausch hinsichtlich möglicher Anknüpfungspunkte unserer beiden Vorhaben interessiert waren. Nach Abstimmung im BloG³ Konsortium trafen sich Vertreter des BloG³-Projekts am 11. August 2020 in einem digitalen Meet-Up mit den Verantwortlichen des dePa-Projekts von Turbine Kreuzberg Daniel Nill (damaliger CEO), Stefan Adolf (Developer Ambassador) und Timothy Becker (Business Development).
Turbine Kreuzberg stellte uns hierbei zunächst umfassend ihren Ansatz vor, auf dessen Grundlage wir dann über mögliche Anknüpfungs- beziehungsweise Abgrenzungspunkte unserer jeweiligen Konzepte diskutierten. Entscheidender Unterschied des BloG³-Vorhabens zum dePa-Ansatz von Turbine Kreuzberg ist, dass sich BloG³ nicht als Konkurrenz zur elektronischen Patientenakte (ePa) der gematik und in diesem Zusammenhang der Telematikinfrastruktur (TI) positioniert. Turbine Kreuzberg hingegen strebt insbesondere auf Grundlage der auch in der öffentlichen Diskussion präsenten Kritik an der ePa einen alternativen dezentralen Ansatz an, insbesondere hinsichtlich des „überholten technologischen Konzepts der TI und mangelnder Sicherheitsstandards“. Die BloG³-Projektpartner finden den Ansatz der dePA inhaltlich sehr interessant, sehen jedoch im stark regulierten deutschen Gesundheitswesen diesbezüglich keinen hinreichenden Spielraum. Im Hinblick auf die angestrebte Entwicklung eines dezentralen Blockchain-basierten Daten- und Rechteverwaltungssystems werden vielmehr Anwendungsfälle angestrebt, die als Add-on-Service der sich etablierenden Infrastrukturen (TI, ePa, ...) des deutschen Gesundheitswesens positionieren.
Beide Parteien verblieben aber nach dem anregenden und fachlich interessanten Gespräch mit der gegenseitigen Bereitschaft, in einem konstruktiven und unterstützenden Austausch zu bleiben. So wurde einerseits im Rahmen des Arbeitspaketes zur Geschäftsmodellanalyse (geleitet durch die FUB) im Zuge der Sammlung von „nationalen und internationalen Best Practices“ Turbine Kreuzberg als ein Beispielszenario untersucht und andererseits fungierte Turbine Kreuzberg sowohl am KIT als auch an der FUB als Gastreferent im Rahmen von Lehrveranstaltungen der in BloG³ involvierten Professuren. Die Gastvorträge von Turbine Kreuzberg fanden am 26. November 2020 am KIT im Rahmen der Lehrveranstaltung „Digital Health“ statt und am 29. Januar 2021 an der FUB im Rahmen des Moduls „Electronic Business“ mit Schwerpunkt Digital Health. Ziel war es, den Studierenden möglichst praxisnah die Einsatzmöglichkeiten von Blockchain im Gesundheitswesen zu verdeutlichen. Den Input durch Turbine Kreuzberg konnten die Studierenden anschließend gut für eine im Rahmen des Moduls durchgeführte Fallstudie nutzen.
Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal explizit für den wiederholt spannenden Austausch mit Turbine Kreuzberg und freuen uns auch auf zukünftige Begegnungen mit den Verantwortlichen.
Auf Basis des aktuellen Stands der Wissenschaft und Technik konnten von Projektmitarbeitenden des FZI Forschungszentrum Informatik ein dezentraler Datenspendekreislauf sowie Anforderungen an ein solches System konzipiert werden. Diese Erkenntnisse wurden im Rahmen der 54. Hawaii International Conference on System Sciences im Januar 2021 dem wissenschaftlichen Fachpublikum unter dem Titel „Data Sovereignty in Data Donation Cycles – Requirements and Enabling Technologies for the Data-driven Development of Health Applications“ vorgestellt. Die Veröffentlichung ist unter folgendem Link verfügbar: Link
Das BloG³-Konsortium freut sich durch eine assoziierte Mitgliedschaft seit Januar 2021 Teil der Community der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte Forschung e.V. (TMF) zu sein. Die TMF ist die Dachorganisation für die medizinische Verbundforschung in Deutschland mit dem Ziel, die organisatorischen, rechtlich-ethischen und technologischen Probleme der modernen medizinischen Forschung zu erfassen und zu lösen. Durch die aktive Teilnahme des BloG³-Konsortiums an verschiedenen Arbeitsgruppen soll ein konstanter fachlicher und interdisziplinärer Austausch mit anderen Mitgliedern sowie der Einbezug der frei zugänglichen TMF-Lösungen (Gutachten, generische Konzepte, Checklisten und Leitfäden, Schulungs- und Beratungsangebote) erfolgen, um so eine hohe Qualität und nachhaltige Verwertbarkeit der Projektergebnisse von BloG³ zu gewährleisten.